Amtsgericht Neu-Ulm
26.05.2023

Schutz vor sexuellem Missbrauch / Schutz vor (neuen) Gefahren im Internet / Bürokratieabbau / Alle Initiativen Bayerns bei der JuMiKo 2023 erfolgreich / Bayerns Justizminister Eisenreich: "Ich freue mich, dass der Freistaat mit seinen rechtspolitischen Initiativen überzeugen konnte."

Die Justizministerkonferenz ist eine wichtige rechtspolitische Ideenschmiede der Länder. Bayern hat bei der 94. Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und -minister am 25. und 26. Mai in Berlin zahlreiche Reformvorschläge erfolgreich eingebracht. Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich, zugleich Sprecher der unionsgeführten Länder (B-Seite): "Ich freue mich, dass erneut alle Initiativen aus dem Freistaat eine Mehrheit gefunden haben. Höchste Priorität haben für mich insbesondere der Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und der Schutz der Menschen vor Straftaten im digitalen Zeitalter."

Die bayerischen Initiativen im Einzelnen:

  1. Ermittlungsakten bei sexuellem Missbrauch in Institutionen, insbesondere Kirchen, länger aufbewahren

Nach geltendem Bundesrecht werden Akten zu eingestellten Ermittlungsverfahren grundsätzlich nur fünf Jahre aufbewahrt, im Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV) sogar nur für zwei Jahre gespeichert. Die Justizministerkonferenz setzt sich auf Initiative Bayerns dafür ein, die Frist bei Sexualstraftaten auf jeweils zehn Jahre zu verlängern. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, das Saarland, Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern sind der Initiative als Mitantragsteller beigetreten. Der Grund: Bei Sexualstraftaten steht oft Aussage gegen Aussage. Eisenreich: "Wenn aber mehrere Opfer über einen längeren Zeitraum hinweg unabhängig voneinander Vorwürfe gegen ein- und dieselbe Person erheben, kann das ein Indiz für ihre Glaubwürdigkeit sein. Deshalb müssen unsere Strafverfolger in solchen schweren Fällen auch Zugriff auf ältere Ermittlungsakten zu eingestellten Verfahren bekommen. Es geht hier um den Schutz unserer Kinder."

  1. Drei-Säulen-Konzept im Kampf gegen Geldautomatensprengungen

Jeden Tag explodiert in Deutschland durchschnittlich mindestens ein Geldautomat. Die Konferenz schlägt auf Initiative Bayerns gemeinsam mit Hessen ein Drei-Säulen-Konzept im Kampf gegen die Geldautomatensprengungen vor. Minister Eisenreich: "Geldautomatensprengungen sind die Banküberfälle der Moderne und eine Gefahr für Anwohner und Einsatzkräfte. Das Maßnahmenbündel der bayerischen Initiative setzt im Kampf gegen die Bandenkriminellen an mehreren Stellschrauben an." Vorgeschlagen wird eine Reduzierung der Tatanreize, etwa durch den Einsatz von Färbemitteln, die das Geld bei einer Sprengung unbrauchbar machen. Auf der Ebene der Strafverfolgung sollen Tatserien möglichst bei einer Staatsanwaltschaft konzentriert werden. Dadurch werden eine effektive Verfolgung und angemessene Bestrafung der Täter, die regelmäßig dem Bereich der Organisierten Kriminalität zuzuordnen sind, gewährleistet. Zudem wird der Bundesjustizminister gebeten, eine Strafschärfung zu prüfen. Derzeit liegt das Mindeststrafmaß für Geldautomatensprengungen bei einem Jahr, beim klassischen Bankraub hingegen bei fünf Jahren.

  1. Strafrechtliche Regeln für das Internet der Zukunft

Die großen Tech-Konzerne arbeiten mit Hochdruck an Virtual-Reality-Technologie. Im Metaverse sollen Nutzer künftig als Avatare Freunde treffen, shoppen und arbeiten können. Die Justizministerkonferenz fordert den Bundesjustizminister auf Initiative Bayerns gemeinsam mit Sachsen-Anhalt und Thüringen auf, frühzeitig zu prüfen, an welchen Stellen das Straf- und Strafprozessrecht angepasst werden muss. Eisenreich: "Das Internet der Zukunft darf kein rechtsfreier Raum sein. Deshalb muss sich das Strafrecht bereits jetzt mit den künftigen digitalen Möglichkeiten und deren Risiken befassen."   

  1. Schutzlücken im Kampf gegen Hass und Hetze beseitigen

Ab Februar 2024 gilt Europas neues Regelwerk für Internetplattformen – der "Digital Services Act" (DSA) – auch in Deutschland unmittelbar. Die Justizministerkonferenz fordert den Bund auf Initiative Bayerns auf, zu prüfen, ob und wie mögliche Schutzlücken durch neue bundesgesetzliche Regelungen beseitigt werden können. Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen unterstützten die bayerische Initiative als Mitantragsteller. Eisenreich: "Der DSA bringt insgesamt Fortschritte im weltweiten Kampf gegen Hass und Hetze. Aber gerade beim Melden und Löschen strafbarer Inhalte drohen Rückschritte gegenüber dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz." Der Bund sollte nach dem Willen der Länderjustiz mögliche durch den DSA belassene Regelungsspielräume nutzen und sich auch auf europäischer Ebene weiter für eine einheitliche Melde- und Löschpraxis einsetzen.

  1. Besserer Schutz vor Straftaten im Internet

Anleitung zu Straftaten, Gewaltdarstellungen, Beleidigungen, Missbrauch von Ausweispapieren: Die Kriminalität verlagert sich im digitalen Zeitalter zunehmend ins Internet. Das Problem: Zahlreiche strafbare Inhalte, die im Ausland online gestellt wurden, werden vom deutschen Strafrecht nicht rechtssicher erfasst. Deshalb fordert die Justizministerkonferenz auf Vorschlag Bayerns, unterstützt von Berlin, dass der Bund eine Gesetzesreform in Angriff nimmt, die insbesondere den § 9 des Strafgesetzbuches ("Ort der Tat") verstärkt in den Blick nimmt, präzisiert und erweitert. Eisenreich: "Die besten Straftatbestände helfen unseren Ermittlerinnen und Ermittlern nichts, wenn sie nicht gelten. Die vom Bundesjustizminister präsentierten Lösungsvorschläge waren bisher ungenügend. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger muss ein differenzierter Vorschlag erarbeitet werden."

  1. Rechtssicherheit beim innovativen Bauen

Die Wohnungsnot in Deutschland hält an. Auch deshalb bereiten die Länder derzeit die Einführung eines neuen Gebäudetyps E vor. Dabei sollen fachkundige Bauherren von festgelegten technischen Normen abweichen können, soweit Sicherheitsbelange nicht beeinträchtigt werden. Die Justizministerkonferenz dringt darauf, im Vorfeld mögliche Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Eisenreich: "Der Gebäudetyp E wirft eine Reihe komplizierter zivilrechtlicher Fragen, beispielsweise der Haftung auf. Wir brauchen klare Regelungen, damit die Interessen aller Beteiligten geschützt werden – vom Architekten bis zum Auftraggeber, vom Käufer bis zum Mieter. Einfache Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt gibt es dabei nicht. Wir brauchen ein Bündel an Maßnahmen von Kommunen, Land und Bund in verschiedenen Bereichen. Der neue Gebäudetyp könnte dabei ein Baustein sein." Sachsen-Anhalt, Berlin, Baden-Württemberg und Hessen waren dem Antrag als Mitantragsteller beigetreten.

  1. Entlastung für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer

Die Justizministerkonferenz will ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer entlasten. Diese sind seit diesem Jahr verpflichtet, vor der Übernahme des Ehrenamts ein Führungszeugnis und eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis vorzulegen. Eisenreich: "Das kostet Zeit und Nerven, vor allem wenn die Betroffenen keinen Online-Zugang haben. Der Einsatz von Ehrenamtlichen ist in der rechtlichen Betreuung von unschätzbarem Wert. Deshalb müssen bürokratische Hürden abgebaut werden. Wir fordern den Bundesjustizminister auf, hier eine neue, weniger bürokratische Lösung zu schaffen." Niedersachsen, Baden-Württemberg und das Saarland waren der bayerischen Initiative beigetreten.

  1. Initiative für mehr elektronischen Rechtsverkehr

Die Zustellung von Dokumenten an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte muss im Zivilverfahren bereits seit 1. Januar 2022 elektronisch erfolgen. Die Justizministerkonferenz setzt sich nun – auf Initiative Bayerns – dafür ein, weitere Personen und Organisationen zu einem sicheren Übermittlungsweg für elektronische Zustellungen zu verpflichten. Eisenreich: "Große Unternehmen wie Fluggesellschaften oder Versicherungen nehmen in Massenverfahren eine Vielzahl von Klageschriften entgegen. Die Zustellung in Papierform sorgt für einen erheblichen Mehraufwand. Deshalb sollten auch sie zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet werden."

  1. Keine übermäßigen Eingriffe der EU in das materielle Strafrecht

Europäische Gesetzesvorschläge zum Strafrecht werden immer detailreicher und greifen teilweise übermäßig in das nationale Recht ein. Insbesondere im hochsensiblen Bereich des Sanktionenrechts enthalten die Richtlinienvorschläge häufig umfangreiche Vorgaben zu Art und Umfang von Sanktionen wie etwa nicht unerhebliche Mindest-Höchststrafen. Die Justizministerkonferenz fordert den Bundesjustizminister auf Initiative Bayerns auf, sich bei Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass europäische Regelungen weiter den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Eisenreich: "Die Strafrechtspflege ist wichtig für die demokratische Selbstgestaltungsfähigkeit eines Verfassungsstaats. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil hervorgehoben. Systemfremde übermäßige Eingriffe in das nationale Recht müssen vermieden werden."

Die Bilanz des bayerischen Justizministers: "Ich freue mich, dass Bayern wieder viele rechtspolitische Ideen einbringen und unsere Vorschläge überzeugen konnten. Jetzt ist Berlin gefordert."

Dauerausstellung Weiße Rose Saal

Ihren Mut zur Freiheit haben die Geschwister Scholl und vier ihrer Freunde mit dem Leben bezahlt. Wohin es führen kann, wenn die Dritte Gewalt im Staate ihre Unabhängigkeit verliert, zeigt die Dauerausstellung Willkür "Im Namen des Deutschen Volkes".


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Wussten Sie eigentlich …?

… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?